Mein Fruchtwein hat zu viel Säure. Wie kann ich meinen Wein entsäuern?
Mit dem Beitrag möchte ich Hilfestellung bieten was das Entsäuern von Wein und Fruchtwein angeht. Mein Fruchtwein hat zu viel Säure, was kann ich tun? Wie kann ich die Säure im selbstgemachten Wein neutralisieren oder entfernen?
Jeder Hobbywinzer war schon mal an dem Punkt wo der Fruchtwein einfach zu sauer schmeckte und man ihn entsäuern wollte. Die schlechte Nachricht ist, dass es kein Wundermittel gibt um Säure zu neutralisieren. Die einfachste Methode ist das Verdünnen mit einem weniger sauren Getränk, meistens mit Obstsaft oder Wasser. Oder das Nachsüßen mit Zucker oder Fruchtsirup oder Fruchtsaftkonzentraten. Der biologische Säureabbau (Umwandlung von Äpfelsäure in Milchsäure) durch malolaktische Gärung wird hier nicht besprochen.
Für eine konkrete Hilfestellung müsste man ein konkretes Beispiel kennen. Ich halte nicht viel von Rezepten, außer es sind selbst erprobte und sie sind statistisch robust. Gute Rezepte können die Schwankungsbreite von Zutaten ausgleichen und bringen die Toleranz der Abweichung in ein vertretbares Maß.
Weintypen und Weinstile
Geschichtliches Rezept für harmonischen Wein: gemischte Rebsetzlinge im Weinberg
Ein geschichtliches Rezept für so einen Wein waren die bunt gemischten Rebsetzlinge im Weinberg aus denen dann der gemischte Satz gekeltert wurde. Eine robuste Mischung unterschiedlicher Komponenten, die in Summe eine geringe Abweichung aufwiesen. Milde Sorten verdünnten säuerliche und süße Sorten die herben. Am Ende ergab sich eine Mischung, ein Mittelwert. Bei guter Sortenwahl gab es jedes Jahr eine Wein-Ernte. Ziel dabei war es ein annähernd ähnliches Ergebnis an gekeltertem Wein zu erhalten ohne größere Überraschungen dabei zu erleben. Außer es gab Naturkatastrophen aber selbst da erhoffte man sich zumindest von einigen Sorten Erträge. Somit war diese bunte Mischung gleichzeitig eine Art Versicherung, dass am Ende des Jahres zumindest irgendwas gekeltert werden konnte. Immer ein klein wenig anders aber doch immer sehr ähnlich. Mehr Informationen erhältst du in der Fruchtwein Bibliothek und im Fruchtwein Glossar.
- Problemkreis: Fruchtart, Saft und Säure
- Analytik bei der Weinherstellung
- Traubensaft entsäuern
- Gesamtsäure im Wein bei der Traubenernte
- Die Rebsorte bestimmt das Ergebnis
- Nasszuckerung bei Fruchtwein
- Mindestgehalt an zuckerfreiem Extrakt
- Berechnungsbeispiele für Fruchtweine
- Ideale Zusammensetzungen an Gesamtsäure und Extraktgehalt
- Lege zu Beginn das Ergebnis fest
Fingerfood zu Wein – kleine schnelle Party Snacks zum Wein
Problemkreis: Fruchtart, Saft und Säure
Bei den klassischen Fruchtwein-Rezepten sind besonders die säurehältigen Obstarten ein Problem. Als zweites Problem kommt hinzu, dass oftmals noch Milchsäure oder Zitronensäure zugesetzt werden soll. Problem Nummer drei ist die Menge an Obst und folglich an Obstsaft.
Wir arbeiten normalerweise mit Tabellen, die den Ausbeutefaktor an Saft (sofern wir nicht schon mit Rohsaft arbeiten) und den zuckerfreien Extrakt berücksichtigen. Die Saft-Ausbeute kann zudem auch empirisch ermittelt werden und liegt bei Steinobst und Beerenobst zwischen 70% und 80%.
Der zuckerfreie Extrakt wird zwar in manchen Büchern erwähnt, bei den Wein-Rezepten direkt wird darauf selten eingegangen. Viele Fruchtwein-Rezepte funktionieren der Einfachheit halber auch. Daran ist grundsätzlich nichts auszusetzen. Wobei es gute und weniger gute Rezepte gibt. Will man aber genau arbeiten, ist unbedingt genau zu berechnen.
Der zuckerfreie Extrakt ist ein Gütekriterium für den Fruchtwein. Er beziffert gleichzeitig wie stark der Rohsaft verdünnt wurde und wieviel Glycerin während der Gärung gebildet wurde und wie hoch der Mineralstoffgehalt und der Gehalt aller sonstigen gelösten Stoffen im Wein ist. Das einzige Problem dabei ist, dass dieser Wert nur durch eine Laboranalyse bestimmt werden kann.
Dadurch sind Hobbywinzer im Blindflug unterwegs. Das ist allerdings nicht so schlimm, wenn man den Grundsatz beherzigt Fruchtsäfte nicht zu sehr zu verdünnen. Gerade dieser Punkt ist für ambitionierte Hobbywinzer schwierig, da viele Rezepte auf eine möglichst große Ausbeute an Fruchtwein abzielen. Einige Internetseiten, die Hilfestellung für die Fruchtweinerzeugung bieten, empfehlen ebenfalls oft viel zu geringe Obstmengen in ihren Fruchtwein-Rezepten.
Analytik bei der Weinherstellung
Wie wichtig ist also Analytik bei der Weinherstellung? Wie kompliziert soll es sein? Die Analytik ist zwar wichtig, aber nicht so wichtig wie man denken mag. Es ist sogar relativ unwichtig Zahlen exakt zu kennen. Man kann und sollte sein Wissen laufend erweitern. Das schadet niemals. Aber für das Verständnis sind Grundlagen ausreichend. Alles darüber hinaus ist zwar nice to know aber weniger hilfreich. Viele Hobbywinzer sind keine Chemiker und keine Technologen und möchten einfach und unkompliziert mal einen eigenen Wein zu Hause erzeugen. Das Ziel ist, dass er schmecken soll. Es geht den wenigsten darum exakte Zahlen zu kennen. Zahlen sind in Folge wichtig, wenn man reproduzierbare Ergebnisse möchte und sich daran festhalten will was funktioniert hat oder wo man etwas ändern sollte falls nicht.
Oechslespindel und Refraktometer sind wahrscheinlich die sinnvollsten Werkzeuge. Wenn man regelmäßig Wein herstellt, sind sie unverzichtbar und ich würde sie jedem empfehlen. Ein Acidometer zur Bestimmung der Gesamtsäure ist nett aber nicht unbedingt erforderlich. Es geht hier nicht darum exakte Zahlen zu kennen. Exakte Zahlen bringen nur etwas, wenn der Anwender auch weiß was er damit anfangen soll. Wer es genau wissen möchte und mit diesen Zahlen etwas anfangen kann, der soll bitte gerne analysieren und messen. Will man guten Wein aus Trauben machen und hat die entsprechenden Vorkenntnisse, dann wird man wohl auf alle Infos zurückgreifen, die man bekommen kann.
Traubensaft entsäuern?
Weintrauben weisen einen relativ großen Schwankungsbereich von Reifegraden auf und können wirklich nur zur Vollreife gute, harmonische, trockene Weine ergeben. Bei dieser Reife liegt der Zuckergehalt und der Säuregehalt in einem guten Verhältnis und wird mit ziemlich hoher Sicherheit einen harmonischen Wein ergeben. Kleinere Kanten können dann mittels Fein-Entsäuerung noch entfernt werden, sofern überhaupt nötig.
Kennt man seine Rebsorte und hat Literatur und Infos darüber, ist meist auch der zu erwartende Zuckergehalt und der durchschnittliche Säuregehalt aufgelistet. Es gibt auch Rebsorten, die nicht über 75°Oe steigen und deren Säuregehalt mit laufender Reife stetig abnimmt. Bei der Traubenweinherstellung ist viel Know-How gefragt. Kenne deine Rebsorte und du erhältst mit ziemlich großer Sicherheit ein gutes Wein-Ergebnis.
Liegen schon zu Beginn der Gärung zu große Baustellen vor, also zu viel Säure und zu wenig Zucker, sollte man die Trauben noch am Rebstock hängen und ausreifen lassen. Hier reicht es meistens den Zuckergehalt zu beobachten und zur Sicherheit bei einer repräsentativen Teilmenge (von einzelnen Beeren von unterschiedlichen Trauben am ganzen Spalier) den Säuregehalt im Acidometer zu messen.
Ist das wirklich notwendig? Nicht wirklich, wenn man die Traubensorte und ihr Reifeprofil kennt oder Erfahrungswerte hat. Man kann durchaus mit Daumen mal Pi arbeiten. Aber dass Daumen mal Pi nicht wirklich zielführend ist und Laien daran scheitern können, sehen wir gleich.
Gesamtsäure im Wein bei der Traubenernte
8g/l Gesamtsäure sind für weiße Weintrauben ein guter Wert zur Ernte bei ca. 80°Oe. Die Säure nimmt beim Weinausbau ca. um 1g/l-2g/l noch ab, da etwas an Weinstein ausfällt. Eine homöopathische Feinentsäuerung um 1g/l ist dann noch immer möglich und richtet auch beim Wein wenig Schaden an.
Wir hatten schon Traubensäfte mit etwa 60-70°Oe und 12-14g/l Gesamtsäure und Traubenmoste mit 100°Oe und 6g/l Gesamtsäure. Die Zugabe von Zucker ist bei Hobbyweinen kein Problem. Die Entsäuerung schon. Beim ersten Saft müsste sogar mit der gleichen Menge an Wasser entsäuert werden. Das ist völlig inakzeptabel!
Bei Weintrauben behilft man sich mit Kalium- oder Calziumsalzen, die mit der überschüssigen Weinsäure eine feste Bindung eingehen. Die Folge ist, dass das unlösliche Salz der Weinsäure, das Kaliumtartrat bzw. Calciumtartrat, ausfällt. Der uns bekannte Weinstein.
Bei Traubenwein ist der Zusatz von Wasser in Europa nicht erlaubt. Das war aber nicht immer so. Das Gallisieren, also der Zusatz von Nasszuckerung, war zu Beginn des 19.Jahrhunderts noch üblich. Genauso die Erzeugung von Tresterwein oder Hauswein.
Die Zugabe von Wasser reduziert die Säure, ohne den pH-Wert zu sehr anzuheben. Jetzt wird es doch noch etwas chemisch. Wasser ist ein Extraktionsmittel und erhöht den Aschegehalt des Weines. Der Trester wird also durch den starken Konzentrationsunterschied der Lösungen stärker ausgelaugt und dieser unnatürliche Anstieg kann später zur Kontrolle von Traubenwein auf den unerlaubten Zusatz von Wasser herangezogen werden.
Will man ohne Wasser arbeiten, würde nur noch eine Doppelsalz-Entsäuerung funktionieren. Dieses Vorgehen empfehle ich niemandem, besonders nicht Laien und Hobbywinzern. Der Aufwand inkl. der Kosten und dem Know-how steht nicht in Relation zum Nutzen. Ich würde die Trauben erst ernten, wenn der Anstieg an Oechslegraden nicht mehr nennenswert zunimmt.
Sind diese gemessenen hohen Säurewerte Ende September das letzte der Gefühle, wird man sich überlegen müssen ob man wirklich Wein aus diesen Trauben herstellen möchte. Oft sind andere Verarbeitungsmöglichkeiten zielführender: Traubensaftlikör, Marmelade, Konfitüre, Gelee oder Traubensaft.
Normalerweise sind die Säuregehalte bei Vollreife der Trauben harmonisch und müssen nicht mehr großartig korrigiert werden. Das kommt aber immer auch auf die Rebsorte an, die von Amerikanerreben über Hybridreben bis hin zur klassischen Vitis Vinifera reichen kann. In Hausgärten findet man mitunter viele eigenwillige Rebsorten aus denen sich nur mit viel Aufwand gute Weine erzeugen lassen.
Die Rebsorte bestimmt das Ergebnis, nicht der Winzer
Wir mussten auch schmerzlich feststellen und lernen: nicht jede Rebsorte eignet sich für jede Art von Wein. Das sollte der Hobbywinzer bedenken. Es gibt Trauben für Federweißer, Schaumwein, Tafelwein, Qualitätswein, Prädikatswein (Spätlese, Auslese, Eiswein). Es gibt auch Trauben für Sherry, Wermut oder für Weinbrand. Genauso blaue Trauben, die besser zu Rosewein als zu Rotwein verarbeitet werden sollten.
Aber Trauben kann man doch für alles verwenden? Nun ja das stimmt schon, grundsätzlich zumindest. Allerdings gibt es Rebsorten, die früh reifen und deren Beerenhäute bei Regen im Herbst gerne zum Platzen neigen oder deren Zuckergehalte nicht mehr nennenswert ansteigen. Solche Rebsorten werden gerne für Federweißer verwendet, da der Wein ohnehin nicht für den weiteren Ausbau genutzt wird. Es gibt auch Rebsorten, die geschmacklich schnell abbauen und daher für schnellen Konsum eher geeignet sind als zur Weinlagerung. Säurereiche blaue Trauben sind als Rosewein immer besser verwertet. Würde man Rotwein daraus herstellen, müsste mit allen Tricks und Kniffen entsäuert und das Ergebnis trinkbar gemacht werden.
Ein Eingriff ist immer nur eine behelfsmäßige Notlösung. Arbeitet mit der Natur und erzeugt daraus was funktioniert. Damit erspart ihr euch viel Ärger. Der Winzer begleitet nur, er steuert auch ein wenig aber er ist kein Zauberer.
Statt Chemie und Entsäuerungsmittel zuzusetzen, bietet es sich im Hobbybereich an den privaten Hauswein mit 10% Wasser zu verdünnen. Wenn eine längere Maischestandzeit oder Maischegärung geplant ist, ist das in der Regel kein Problem. Das erspart Rechnerei und ein mögliches negatives Ergebnis durch Überentsäuerung, pH-Wert Anstieg usw. Wenn man mit dieser kleinen Trickserei leben kann und will.
Beim Gallisieren (Verfahren der Nasszuckerung) und in der Hobbywinzerliteratur findet man sogar Angaben, dass eine Nasszuckerung bis zu 30% möglich sei. Das ist schon relativ viel, bringt aber einen Wein mit 10g/l Gesamtsäure auf ca. 7,6g/l. Das ist durchaus beachtlich. Allerdings nimmt dadurch auch der Extraktgehalt geringfügig ab (20g/l auf 15g/l) und der Wein wird ein Weinchen, eine bessere Schorle, wenn man so will. Will man lediglich ein trinkbares Ergebnis, so ist das durchaus eine Möglichkeit. Ich denke hier an einen Federweißen. Der wird nicht gelagert und schnell konsumiert und könnte auch noch im Glas mit Wasser verdünnt werden.
Das Gallisieren wurde noch bis ins 19.Jahrhundert praktiziert mit dem fahlen Beigeschmack, dass sich die Mengen an Wein erhöht haben und das Ergebnis nicht unbedingt von Qualität gekrönt war. Man darf sich also keinen Spitzenwein mehr erwarten. Will man aber einen trinkbaren Hauswein für den privaten Gebrauch erzeugen, ist es durchaus eine Option.
Traubenwein herzustellen wie die Profis, das ist dann die Königsdisziplin. Für die Technokraten und alle, die es ganz genau machen möchten, gibt es wiederum Fachliteratur, Berechnungen und Chemikalien. Es ist durchaus möglich mit CaCO3 oder K2CO3 zu entsäuern. Darauf möchte ich hier nicht näher eingehen. Keep it short and simple.
Man sollte außerdem daran denken, dass sich auch bei der Weinlagerung noch etwas Weinstein bildet. Es macht zwar Sinn den Saft zu entsäuern, da hier Eingriffe weniger geschmacklichen Effekt haben aber für Laien ist es schwer abzuschätzen wie der Wein am Ende sein wird und ob die Entsäuerung nicht schon zu viel war. Das führt dann wieder zu einem säurearmen Wein, der anfällig für Weinkrankheiten wird. Es geht um Know-how. Man muss sich schon auskennen bei dem was man tut.
Für Laien möchte ich hier nur Basisinfos geben. Natürlich ist das Gallisieren verpönt und im gewerblichen Bereich schon lange verboten. Die Weinwirtschaft leidet an Überproduktion und es ist wichtiger hochwertigen Wein zu erzeugen als mehr Weinausbeute zu bekommen.
Traubenmoste aus normalen Jahrgängen, die von voll ausgereiften Trauben stammen, müssen nicht korrigiert werden. Lediglich ein geringfügiger Zuckerzusatz zum Erreichen von 12-14%Vol. Alkohol sind nötig, sofern man höhergradige Weine beabsichtigt. Es können aber durchaus Weine mit 10%Vol. ansprechend sein. Kabinettweine aus dem eigenen Garten. Darauf sollte jeder Hobbywinzer hinarbeiten. Naturbelassene Weine ohne große Bearbeitung. Das unterstützt ebenfalls das KISS Prinzip, keep it short and simple.
Ist das Traubenmaterial gut, entstehen auch gute Weine daraus. Daher ist es in der Regel völlig ausreichend den Säuregehalt zu vernachlässigen und sich auf den Oechslegehalt zu konzentrieren. Ist dieser Wert Mitte September möglichst hoch, kann an eine Weinlese gedacht werden. Vor der Lese sicherheitshalber noch einen Säuretest machen (um keine böse Überraschung zu erleben) und sich auf einen guten Jahrgang freuen. Sind die Säuregehalte tatsächlich zu hoch, geht eben nichts an einer Entsäuerung vorbei. In südlichen Ländern wird der Säuregehalt interessanter sein, da dieser stärker bei Vollreife abnimmt. Hier ist das Erreichen von hohen Zuckergehalten meistens kein Problem und man wird Säure zusetzen müssen.
Nasszuckerung bei Fruchtwein – gängige Praxis und erlaubt
Früchte sind in der Regel in einem Bereich mit geringerer Abweichung ihrer Inhaltsstoffe und die Maischen werden mit Wasser und Zucker versetzt. Außerdem wird Fruchtwein in der Regel mit Restsüße ausgebaut. Das maskiert überschüssige Säure zum Teil. Deswegen funktionieren gewisse Fruchtwein-Rezepte auch ganz gut.
Was uns aber hinsichtlich Extraktgehalt und Entsäuerung interessiert, sind vorallem die positiv geladenen Ionen wie das Kalium bzw. das Calcium. Wirf man Entsäuerungskalk in eine Fruchtmaische wird lediglich der pH Wert angehoben, was zur Bräunung führt, mit Geschmacksverlust und das Getränk versalzt. Es entstehen die Salze der Säuren, die aber keine festen Bindungen eingehen. Alles bleibt in Lösung und die Säure fällt weder aus noch wird sie nennenswert reduziert. Doch das Reduzieren beabsichtigen wir ja. Außer beim Rhabarber, denn die Oxalsäure geht ebenfalls eine starke Bindung mit dem Kalk ein und Calciumoxalat fällt aus.
Was für uns wichtig ist, ist die Pufferwirkung der Lösung. Je stärker eine Maische oder ein Fruchtsaft verdünnt wird, desto weniger Kaliumionen und Mineralien sind in Lösung. Kalium ist üblicherweise in den Beerenhäuten von Weintrauben enthalten. Es ist aber auch in allen anderen Früchten vorhanden. Durch längere Maischegärung wird das Obst stärker ausgelaugt und es gehen mehr Stoffe in Lösung. All diese Stoffe verstärken die Pufferwirkung der Lösung. Das Getränk wird immer gehaltvoller.
Manche Rezepte gehen von 4kg Obst auf 10L Wein aus. Solche dubiosen Rezepturen sind meiner Meinung nach immer sehr genau zu berechnen. Hat das Obst einen ausreichend hohen zuckerfreien Extrakt, kann natürlich problemlos verdünnt werden. Bis auf Ebereschen, die bei ca. 200g/l zuckerfreiem Extrakt (zfE) liegen, sind alle anderen Obstarten relativ extraktarm. Die meisten Beerensäfte liegen bei 20-40g/l zfE.
Mindestgehalt an zuckerfreiem Extrakt gefordert
In Österreich wird für gewerblichen Apfelwein ein Mindestgehalt von 12g/l für den Extraktrest gefordert. Der zuckerfreie Extrakt setzt sich aus Gesamtsäure, berechnet als Äpfelsäure, und Extraktrest zusammen. Der Mindestsäuregehalt beträgt 4g/l. Das heisst, wenn man beide Werte als Minimum addiert, käme man auf 16g/l zfE. Wenn ein Apfelsaft um die 20-28g/l zfE aufweist, ist eine größere Verdünnung gar nicht mehr möglich. Daher werden Apfelweine in der Regel ohne Wasserzusatz hergestellt, genau wie Traubenwein.
Beerensäfte müssen zwangsweise verdünnt werden. Allerdings wird es auf Grund der Gesamtsäure relativ schwierig trockene Produkte herzustellen. Außer man nimmt in Kauf, dass sie dünn schmecken und mit höherem Alkoholgehalt brandig sind. Mit Wasser wird die Säure zwar reduziert aber gleichzeitig auch der Extraktgehalt. Bei gewerblicher Herstellung möchte man das Überstrecken von Fruchtsäften verhindern und dem Konsumenten einen Mindestsaftgehalt im Fruchtwein gewährleisten. Sonst würde lediglich aromatisiertes, gefärbtes Wasser verkauft werden.
Um zu verhindern, dass der Extraktgehalt zu stark abnimmt, behelfen sich Fruitwinemaker in den USA mit einem einfachen Trick. Sie setzen auf Blending mit Basisweinen. Hier kommt unsere Berechnung ins Spiel. Es gibt mindestens zwei Obstweine, die über gute Extraktwerte aber geringe Säuregehalte verfügen. Das ist einerseits Apfelwein und andererseits Birnenwein. Wobei Birnensaft mitunter neutraler schmeckt als Apfelsaft und gleich beim Fruchtwein-Ansatz statt Wasser direkt in die Maische zugefügt werden kann.
Berechnungsbeispiele für Fruchtweine
Einfaches Beispiel:
schwarzer Johannisbeersaft ca. 30g/l Säure 30g/l Extrakt
Birnensaft ca. 5g/l Säure 30g/l Extrakt
Fruchtwein aus 1 Teil Johannisbeersaft und 4 Teilen Birnensaft
Säure: 30g/l + 4x5g/l = 50g/l : 5 Teile = 10g/l Säure
Extrakt: 30g/l + 4x30g/l = 150g/l : 5 Teile = 30g/l Extrakt
Johannisbeersaft >>>70-80% Ausbeute >>> ca. 1,5kg Johannisbeeren, schwarz
Da wir etwas mehr Farbe aus den schwarzen Johannisbeeren möchten, runden wir einfach auf 1,5kg auf. Natürlich sind die Zahlen nicht exakt. Dafür müssten wir die Säure bestimmen. Die Säure liegt bei Johannisbeeren zwischen 24g/l und 37g/l und bei Birnen zwischen 4g/l und 7g/l. Für unser Beispiel ist das ausreichend genau. Der hohe Extrakt erlaubt zudem noch eine Verdünnung mit Wasser falls der fertige Wein zu sauer ausfällt ohne dass der Wein nennenswert an Extrakt einbüßt. Dies ist ein robustes Rezept. Der Fruchtwein ist allerdings als restsüßer Dessertwein angedacht. Daher hat er auch 10g/l Säure, die er ganz gut verträgt.
Nun berechnen wir die Abweichung:
schwarzer Johannisbeersaft ca. 24-37g/l Säure 30g/l Extrakt
Birnensaft ca. 4-7g/l Säure 30g/l Extrakt
Fruchtwein aus 1 Teil Johannisbeersaft und 4 Teilen Birnensaft
Säure: 24 bis 37g/l + 4x(4 bis7)g/l = 40 bis 65g/l : 5 Teile = 8 bis 13g/l Säure
Extrakt: 30g/l + 4x30g/l = 150g/l : 5 Teile = 30g/l Extrakt
Wir sehen, dass sich die Säure im Bereich von 10g/l +/- 2g/l bewegt. Ist der Wein zu sauer, könnte mit Zugabe von 10-20% Wasser korrigiert werden. Das senkt den Extraktgehalt zwar ein wenig, aber dieser Wert ist immer noch ausreichend hoch um diesen Eingriff problemlos zu überstehen.
Wir werden aber bei der Säure-Messung feststellen, dass sich der Säuregehalt eher im Bereich von 10 +/- 1g/l bewegen wird und daher näher an 10 liegt, weil auch die Säfte meistens eher im mittleren Bereich liegen als an den extremen unteren oder oberen Rändern der Säureskala.
Warum wird hier keine Säure zugesetzt? Wir brauchen sie nicht, weil wir unsere Maische nicht überstrecken. Wir haben ausreichend Säure im Weinansatz und wir werden feststellen, dass sie in fertigen Wein nicht unharmonisch hervorschmeckt.
Das Gegenargument ist, dass man sortenreinen Johannisbeerwein möchte und keinen Mehrfruchtwein, der zum Großteil aus Birnensaft besteht. Ja ich verstehe. Deswegen gleich noch ein Beispiel mit einer Wasser-Verdünnung. Der für den Wein nötige Zucker ist hierin natürlich schon gelöst. Johannisbeeren wählen wir, weil sie die gängigsten Beeren aus dem Hausgarten zur Fruchtweinherstellung sind.
Das gleiche Beispiel mit dem schwarzen Johannisbeersaft mit Wasser
Fruchtwein aus 1 Teil Johannisbeersaft und 2 Teilen Wasser
Säure: 30g/l + 2x0g/l = 30g/l : 3 Teile = 10g/l Säure
Extrakt: 30g/l + 2x0g/l = 30g/l : 3 Teile = 10g/l Extrakt
Johannisbeersaft >>>70-80% Ausbeute >>> ca. 1,5kg Johannisbeeren, schwarz
Der Extraktwert bei diesem Beispiel ist schon recht niedrig. Hier sollte aber nicht weiter verdünnt werden. Das ist nämlich genau der Punkt auf den ich hinaus möchte.
Geht man nun von einem Johannisbeersaft mit 24g/l bzw. 37g/l aus, kommt man zu diesem Ergebnis:
Säure: 24 bis 37g/l : 3 Teile = 8 bis 12g/l Säure; 10g/l Extrakt
Es wird nämlich immer wieder empfohlen den Säuregehalt von etwa 7g/l einzustellen. Was passiert nun? Ja es wird nochmals verdünnt. Wir gehen von einem Liter Johannisbeersaft mit 8g/l Säure bzw. von 12g/l Säure aus.
Säurereduktion von 8g/l auf 7g/l verringert den Extraktgehalt von 10g/l auf 8,7g/l. Volumen = 1,14L
Säurereduktion von 12g/l auf 7g/l verringert den Extraktgehalt von 10g/l auf 5,8g/l. Volumen = 1,7L
Wir reduzieren einen schon extraktarmen Beerensaft noch weiter und erhöhen das Volumen um bis zu 70%. Natürlich bildet die Weinhefe während der Gärung etwas Glycerin und hebt den Extraktgehalt ein wenig an aber die Flüssigkeit ist sehr sehr dünn. Kommt etwas Restzucker hinzu, maskiert dies ein wenig den fehlenden Körper aber das ändert nichts daran. Der Fruchtwein ist wenig gehaltvoll. Außerdem neigen die dünnen Weine meiner Erfahrung nach stärker zu Oxidation und sie schmecken leer.
Für mich einer der Gründe wieso sich aus Früchten sortenrein keine großartigen Weine erzeugen lassen. Sie sind immer irgendwie außer Balance und müssen süss sein um zumindest die Säure zu bändigen. Auch das Einstellen von Restzucker kann für Laien problematisch sein. Eine Restsüße von 50-100g/l kann für Fruchtweine mit 8-12g/l Gesamtsäure völlig ausreichen. Nur die wenigsten Fruchtweine sind nach der Gärung absolut trocken und ein Restzucker von 20g/l kann durchaus vorhanden sein aber geschmacklich nicht festgestellt werden. Für den exakten Restzucker wäre ebenfalls eine Laboranalyse notwendig. Wie hoch nun der Restzucker sein sollte ist ebenfalls eine Frage des persönlichen Empfindens. Hier sollte man geringfügig nachsüßen und dann das Ergebnis testen. Am einfachsten funktioniert dies mit Zuckersirup, der beim Kochen bereits isomerisiert ist, und Testansätzen um die richtige Dosierung zu finden. Der Wein wird dann ganz normal mit Haushaltszucker gesüßt.
Welche Zusammensetzungen an Gesamtsäure und Extraktgehalt sind natürlich und anzustreben?
Rotweine haben zwischen 4g/l und 6g/l und Weißweine zwischen 6g/l und 8g/l Gesamtsäure. Man sollte aber auch beachten, dass Traubenweine zwischen 20g/l und 30g/l Extrakt aufweisen. Wenn man von diesem Beispiel schon auf Fruchtweine schließen möchte.
Fruchtweine, wenn sie trocken, halbtrocken oder lieblich ausgebaut werden, sind mit 7g/l Gesamtsäure auch gut gewählt. Wenn man Fruchtwein-Ansatz denn schon auf einen spezifischen Säuregehalt einstellen möchte. Allerdings fehlt es den meisten Fruchtweinen leider an Extrakt, wenn mit Wasser verdünnt wurde. Der Nebeneffekt ist nämlich, dass hier auch weniger Pufferwirkung vorhanden ist und saure Getränke sogar noch saurer schmecken als erwartet. Bei restsüßen Weinen ist der Effekt weniger ausgeprägt. Aber bei höherprozentigen Fruchtweinen können diese relativ brandig und unharmonisch wirken. Ein wenig so wie Vodka mit etwas Fruchtgeschmack darin. Nur Vodka enthält eben keine Säure.
Für eine gute Harmonie würde ich hier auch einen Extraktgehalt von zumindest 20g/l empfehlen. Wenn ich nicht irre, gelten in Deutschland Mindestanforderungen von 16g/l für den Extraktgehalt bei gewerblicher Herstellung von Fruchtweinen. Will man einen gehaltvollen Hobbywein erzeugen, empfiehlt es sich ebenfalls diese Richtwerte tunlichst einzuhalten.
Da Hobbywinzer oft nicht genug Obst zur Verfügung haben oder gerne sparen und den Saft strecken um die Ausbeute zu erhöhen, hier noch ein abschließendes Beispiel. Wir machen Himbeerwein nach Fruchtwein-Rezept mit nur 4kg Himbeeren/10L ~3L Himbeersaft.
Himbeersaft ~ 15g/l Säure, 20g/l Extrakt
Säure: 3*15g/l = 45g/l : 10 Teile = 4,5g/l Säure
Extrakt: 3*20g/l = 60g/l : 10 Teile = 6g/l Extrakt
Hier haben wir ein klassisches Beispiel wo normalerweise Säure zugesetzt werden soll. In der Regel so um die 20g Zitronensäure bzw. 30g Milchsäure(80%) auf 10L Weinansatz um die Säure auf ca. 6-7g/l einzustellen. Das ist eigentlich ein Paradebeispiel für einen extraktarmen Fruchtwein. Viele Rezepturen zielen auf diese Getränke ab.
Geht man nun ohne Plan und obendrein noch mit einem schlechten Rezept vor, kann sogar bereits im Rezept vorsorglich eine Zugabe von Säure empfohlen worden sein. Bei einem Johannisbeer-Rezept oder Sauerkirschen-Rezept kann das fatal sein. Man fügt also Früchte, Säure und Zucker hinzu. Das heisst, dass der Wein am Ende mit Sicherheit zu sauer sein wird. Diesen noch zu retten ist fast unmöglich. Oft ist es aber auch so, dass einfach noch nicht nachgezuckert wurde und der Wein am Ende der Gärung deswegen zu sauer ist.
Wenn nicht überstreckt wurde wie in unserem Beispiel der Himbeeren, erübrigt sich normalerweise ein Säurezusatz. Eine Gesamtsäure über 7g/l ist normalerweise kein Problem beim Vergären und ideal. Es kommt auf das Endprodukt an. Wird es ein trockener Obstwein, sind Säuregehalte von 5-6g/l durchaus akzeptabel. Hier sollte man aber nicht über 7g/l hinausgehen. Haltbarer und stabiler ist der Obstwein aber mit höheren Gehalten. Gut gepufferte Dessertweine mit 10-12g/l Gesamtsäure und Restsüße schmecken mitunter nicht zu stark sauer.
Am Beginn zeigt sich bereits das Ergebnis
Egal ob der Fruchtwein am Ende trocken oder süss werden soll, zu Beginn muss man sich bereits im Klaren darüber sein was (welchen Weintyp) man herstellen möchte. Holunderbeeren oder Heidelbeeren sind noch gehaltvoller und eignen sich gut zum Blending mit Johannisbeeren, wenn man einen trockenen Beerenwein anstrebt.
Die Zugabe von Birnensaft ist immer eine gute Wahl, da die Birne einen hohen Extraktgehalt bei niedrigem Säuregehalt aufweist. Damit lässt sich der Himbeerwein aus dem letzten Beispiel ganz gut aufwerten ohne dass der Geschmack zu sehr dominiert wird. Im Gegenteil, die Birne macht ihn weiniger und runder. Wir belassen die 4kg Himbeeren, also die 3L Himbeersaft bei und fügen lediglich Birnensaft hinzu.
Fruchtwein aus 3 Teilen Himbeersaft und 7 Teilen Birnensaft
Himbeersaft ~ 15g/l Säure, 20g/l Extrakt
Birnensaft ca. 4-7g/l Säure 30g/l Extrakt
Säure: 3*15g/l +7*4g/l = 73g/l : 10 Teile = 7,3g/l Säure
Extrakt: 3*20g/l +7*30g/l = 270g/l : 10 Teile = 27g/l Extrakt
Mit diesem kleinen Handgriff verwandeln wir den überstreckten Himbeerwein aus unserem Fruchtwein-Rezept-Beispiel in einen ausgewogenen, gehaltvollen Fruchtwein. Wir ersparen uns die Zugabe von Säure und jede Messung und bekommen auf natürliche Weise ein gutes Ergebnis. Eine Verdünnung mit Wasser oder ein Säurezusatz oder sogar noch etwas Himbeersaft oder Himbeersirup wäre hier durchaus noch möglich.
Wenn der Fruchtwein noch zu sauer schmeckt am Ende der Gärung kann es auch an gelöster Gärungskohlensäure liegen. Ein kurzes Erhitzen und Verkosten des abgekühlten Weines gibt Aufschluss darüber ob nicht doch noch Kohlensäure gelöst war. Diese verschwindet durch eine Lagerung. Außerdem sollten restsüße Weine mit einem Drittel mehr Zucker versetzt werden als nötig, weil sich die Wirkung der Süßkraft durch die Lagerung verringert.
Ein weiterer Faktor ist die Art von Säure im Wein. Zitronensäure, Äpfelsäure oder Milchsäure. Beim Blending werden gerne Früchte, die vorwiegend Äpfelsäure enthalten mit solchen, die vorwiegend Zitronensäure enthalten, gemischt.
Es ist außerdem auf unvergärbare Zucker zu achten wie etwa Sorbit. Möchte man einen gehaltvollen, trockenen Obstwein bzw. Beerenwein erzeugen, kann es durchaus interessant sein die Restsüße von Sorbit zu nutzen, da dieser Inhaltsstoff nicht weiter abgebaut werden kann und eine leichte Restsüße im trockenen Getränk verbleibt. Gerade ausreichend um die Säure etwas zu dämpfen ohne dass es süss hervorschmeckt.
Dasselbe gilt für extraktreiche Obstarten und für gerbstoffreiche Früchte, die das Gerüst für einen dunklen Fruchtwein liefern können. Auch hier gilt: Kenne die Inhaltsstoffe von Obst und Früchten und nutze sie zu deinem Vorteil. In guter Fachliteratur sind die meisten Zahlen von Messungen der Inhaltsstoffe von Früchten gegeben. Das ist für die meisten privaten Anwendungen absolut ausreichend.
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